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Akif Pirincci: Ich bin deutscher als jeder Deutsche

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Von Anja Hardenberg

Akif Pirincci und sein 16-jähriger Sohn Cedric. Er ist jedes Wochenende bei seinem Vater in Bonn. Er sagt: „Ich bewundere an meinem Vater den Erfolg.“

Akif Pirincci (54) spaltet die Republik mit seinem Bestseller „Deutschland von Sinnen“. Seine Gegner vergleichen ihn mit Hitler. Ist er gefährlich oder genial? Bams-Reporterin (Bild am Sonntag) Anja Hardenberg hat den Erfolgsautor besucht.

Akif Pirincci (54) steht auf der imposanten Freitreppe seiner Gründerzeitvilla im Bonner Nobelviertel Poppelsdorf und strahlt: „Willkommen. Ich brauche eine neue Frau. Willst du mich nicht heiraten?!“ Eine interessante Frage.

Das ist er also, der meistgehasste Mann der Republik: ein 1,70 m großer Mittfünfziger in Birkenstock und Jeanshemd. Akif Pirincci, der als Junge mit seinen Eltern aus der Türkei nach Deutschland kam und später als Krimiautor Millionen machte, hat ein Buch mit dem Titel „Deutschland von Sinnen“ geschrieben. Darin ledert er gegen Frauenquote, Homosexuelle, Öko-Fundamentalisten und anmaßende Zuwanderer.

Pirinccis Wutbuch spaltet die Republik. Es verkauft sich, wie geschnitten Brot. „4.000 Stück am Tag“, prahlt er. Doch das deutsche Feuilleton schäumt vor Wut. „Das ist kein Buch, das ist eine Schlägerei“, befindet die Süddeutsche Zeitung. „Volle Ladung Hass“, titelt die vornehme „Zeit“ [Literaturchef Alexander Mangold] und rückt den „wild gewordenen Autor“ in die Nähe von Adolf Hitler.

Stört ihn das? „Ich kann damit leben“, antwortet er sofort. Überzeugend klingt das nicht. Mein Eindruck: Die massive Kritik der letzten Tage nagt an ihm.

Wer ist dieser Pirincci, der mal eben die politische Korrektheit schreddert? Ein durchgeknallter Spinner oder ein mutiger Realist? Ich wollte lieber mit ihm reden, als über ihn, besuchte ihn schon zum zweiten Mal in Bonn. Diesmal wollte ich wissen, wie er wurde, was er heute ist. In Bonn erwarteten mich sechs Überraschungen und eine ungeklärte Frage.

1. Überraschung: Pirincci, in dessen Krimis das Blut in Strömen fließt, ist eigentlich ein sympathisches Weichei. Der wutschnaubende Skandalautor liebt Leisetreter. Wer Pirinccis Haus betritt, begegnet auf Schritt und Tritt Katzen, aus Porzellan, Holz, Gußeisen, als Türstopper oder Hausglocke. Sie sitzen auf Fensterbänken, auf dem amerikanischen Edelstahlkühlschrank.

Katzen haben ihn reich gemacht. Mit dem 1989 erschienenen Katzenkrimi „Felidae“ verdiente er seine erste Million. Aber was verrät das über den Autor, wenn sein Kater-Dedektiv Francis ein selbstgefälliges großartiges Miststück ist, der während seiner Mordermittlung selbst auf Rattenjagd geht, um den Kopf „freizukriegen“?

Wenn er über seine letzte Katze Paula spricht, die vor zwei Jahren an Krebs starb, überkommt ihn Rührung. „Sie hat zuletzt sehr gelitten. Ich hätte ihr Leben nicht andauernd verlängern sollen“, sagt er.

Der Hunger nach Erfolg ist bei Gastarbeiterkindern besonders groß

2. Überraschung: Pirincci, der einen deutschen Pass hat, versteht sein Buch nicht als Schmähschrift., sondern als Liebeserklärung: „Deutschland ist mein Traumland“, das er durch Frauenversteher, Öko-Freaks, Migranten-Hätschler und andere Gutmenschen gefährdet sieht.

In Deutschland bekamen seine Eltern, ein Fernfahrer und eine Fabrikarbeiterin, und der neunjährige Pirincci eine faire Chanche. „Ich weiß, was echte Armut ist“, sagt er. „Wir hatten kein Geld für Kohle zum Heizen, ein Ei war für uns ein Festmahl. Aber nach nur drei Monaten in Deutschland konnten meine Eltern mir und meiner Schwester ein Fahrrad kaufen“.

Was er nur ungern erzählt: Der Vater regierte die Familie wie ein Tyrann. Akif wurde auch geschlagen. „Nach einem harten Arbeitstag hat mein Vater seinen Frust an uns ausgelassen“, erzählt Pirincci. Den sozialen Aufstieg muß man durch harte Arbeit aus eigener Kraft schaffen, ist Pirincci überzeugt. „Der Hunger nach Erfolg ist bei Gastarbeiterkindern besonders groß“.

Er selbst hat dabei einige Rückschläge hinnehmen müssen. Als Pennäler flog er von drei Schulen, weil er sein Desinteresse am Lehrstoff offen zur Schau stellte. Lieber saß er daheim und schrieb Drehbücher, insgesamt 52, die keiner wollte. Ein Filmstudium in Wien brach er nach drei Jahren ab. Erst später gelang ihm der Durchbruch als Romanautor.

3. Überraschung: Der Literat Pirincci, der sich gern als Bohemian[Künstler, Intellektueller, der sich vom spießigen Bürgertum abgrenzt] tarnt (“Schreiben, saufen, rauchen, fernsehen, lesen. Sonst mache ich nichts“.) lebt ein geradezu preußisch geregeltes Leben: „Ich bin deutscher als jeder Deutsche!“ Er schwört auf Disziplin und Pünktlichkeit: „Ich stehe morgens auf, im Sommer so gegen neun. Im Winter eine Stunde später. Dann koche ich mir einen Tee“. Nach einem Blick in den Computer, „um zu sehen, was im Netz so läuft“, geht es in ein Cafe in der Stadt. Dort schaue er sich gern schöne Frauen an. „Mit dem Schreiben fange ich immer gegen 14 Uhr an, bis zwei Uhr nachts“. Zwischendurch sieht er gern mal einen Film.

4. Überraschung: Der Mann, der sich so wortmächtig über deutsches Schubladendenken und kulturelle Arroganz ereifert, ist ein verkappter Romantiker. Das Herz seiner Bonner Gründervilla, die er komplett entkernt und saniert hat, ist eine dunkelrote Hochglanzküche, von der aus man über ein Hintertreppchen in einen aufgeräumten Garten gelangt. Weiße Rosenstöcke umrahmen eine schmiedeeiserne Sitzgruppe mit Tischchen.

5. Überraschung: Pirincci, der nie Kinder wollte, ist seinem 16-jährigen Sohn Cedric ein liebevoller Vater. Früher tönte der Literat: „Ich würde mich sofort von meiner Frau trennen, wenn sie schwanger werden würde“. Und heute? „Mein Sohn ist der wichtigste Mensch in meinem Leben“.

Das zeigt er gern. Die beiden küssen und umarmen sich. Man spürt: der pubertierende Junge liebt seinen Vater und umgekehrt. Auf die Frage, was er an seinem Vater am meisten schätzt, antwortet der Sohn: „Seinen Erfolg“.

Ungeklärte Frage: Warum schreibt einer wie Pirincci, der es mit Krimis zu Geld und Ruhm gebracht hat, plötzlich ein Pöbelbuch über seine Wahlheimat Deutschland? Denn daran hatte Pirincci eigentlich früher nie einen Zweifel gelassen: „Ich interessiere mich nicht für Politik“. Oder: „Ich bin nicht auf dieser Welt, um sie zu verbessern, sondern einzig, um Lust zu empfinden“. Irgendetwas muss passiert sein. Aber was?

„Ich wäre vor fünf Jahren nie auf die Idee gekommen, so ein Buch zu schreiben“, räumt Pirincci ein. „Ich fand es immer doof, wenn jemand sagt, ich habe meine Meinung und daraus mache ich ein Buch. Es ist übrigens gar kein politisches Buch, sondern ein gesellschaftskritisches. Ich glaube nämlich nicht an Politik“.

In gewisser Weise ist Pirincci sich damit treu geblieben. Schon in seinem bittersüßem Frühwerk „Tränen sind immer das Ende“ hagelt es zynische Verbalattacken gegen sich selbst und den unwichtigen Rest der Welt. „Das Leben ist sowieso meistens scheiße“, fand er damals:. „Das einzige, was mich interessiert, bin ich selbst“, und der kalkulierte Tabubruch.

Pirinccis Mentor [Ratgeber, Lehrer, Unterstützer] und Entdecker Klaus Eck (64) [Münchener Unternehmensberater, Social Media Experte, Autor], der damalige Cheflektor des Goldmann-Verlages, hat seine eigene Theorie über die Wandlung seines früheren Schützlings: „Seine Bedeutung und sein Erfolg als Autor sind zurückgegangen“. Die Katzenkrimis waren auserzählt“. Womöglich habe Pirincci deshalb mit seinen politischen Texten versucht, „wieder ein großes Publikum zu erreichen“.

Die „Lust an der Provokation und eine große Meinungsstärke“ seien schon immer Pirinccis Markenzeichen gewesen. Als Autor sei er deshalb „schwierig zu führen und kämpft gegen jede Korrektur“. An seiner Wertschätzung ändere dies nichts, so Eck.

Auffällig ist: Nach Thilo Sarrazin ist Pirincci der zweite Buchautor innerhalb weniger Jahre, der behauptet, „über Deutschland habe sich ein Muff gelegt, wo man bestimmte Dinge  nicht mehr aussprechen darf“. Hat er sich von Sarrazin inspirieren lassen?

Pirincci widerspricht. Mit dem zahlengespickten Sarrazin, der kopflastig provoziert, will er sich nicht gemein machen. „Sarrazin schreibe dröge, ist rechthaberisch und langweilig“, findet Pirincci. „Ich dagegen, habe die Gabe, meine Meinung sehr knackig, lustig und spannend zu formulieren“, betont er. „Ich werfe keine Handgranaten, lieber Atombomben, habe wohl einen angeborenen Größenwahn!“ Daß darüber nicht alle lachen können, scheint ihn nicht weiter zu stören. Dabei nippt er an seinem Kaffee, frisch aufgebrüht mit Milch. Und in seinem Garten zwitschern die Vögel.

Letzte Überraschung: Auch wenn Pirincci auf Facebook eine Frau sucht, kann er aktuell gar nicht heiraten. Weder mich, noch eine andere. Seine Noch-Ehefrau Uschi lebt nach wie vor mit ihm in der Pirincci-Villa. Beim nächsten Mal besuche ich sie.

Millionen mit Katzenkrimis

Der Durchbruch gelang Akif Pirincci 1989 mit dem Katzenkrimi „Felidae“. Der Detektivroman in dem eine Katze als Hauptfigur agiert, wird in 17 Sprachen übersetzt: über 1,5 Millionen Mal verkauft. 1994 kommt der Roman als Zeichentrickfilm in die Kinos. 1992 erscheint „Der Rumpf“, ein Skandalbuch, weil ein Behinderter darin das perfekte Verbrechen begeht. Danach setzt Pirincci mit „Francis“ (Felidae2, 1993), „Cave Canem“ (1999), „Das Duell“ (2002), „Salve Roma“ (2004), „Schandtat“ (2007), „Felipolis“ (2010) und „Göttergleich“ (2012), seine Katzenkrimireihe fort. 1997 veröffentlich er „Yin - Die Welt der Frauen“, 2001 erscheint „Die Damalstür“. 2009 kommt eine Verfilmung mit Mads Mikkelsen in die Kinos.

Quelle: Akif Pirincci in „Bild am Sonntag“: Ich bin deutscher als jeder Deutsche

Weitere Texte von Akif Pirincci 

Siehe auch:
Baden-Württemberg: Dank Rot-Grün 60% Flüchtlingszuwachs
Akif Pirincci, ein prügelnder, boxender und beleidigener Bukowsky?
Eva-Maria Michels: Frankreich - Eine gehörige Tracht Prügel
Hamed Abdel-Samad: Faschismus und Islamismus – ein ungleiches Paar?
Markus Vahlefeld: Akif Pirincci - Der Poet für das Derbe
Akif Pirinçci: „Ich möchte mein altes Deutschland wieder haben“
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