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Auch Großbritannien gegen Personenfreizügigkeit

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Im bürgerlich-konservativen Magazin “Schweizerzeit” wurde der Gastbeitrag von David Cameron vom 26. November 2013 in der „Financial Times“ (PI berichtete) im Wortlaut auf Deutsch übersetzt. Wegen der aktuellen Diskussion um das Schweizer Abstimmungsergebnis zur Masseneinwanderung veröffentlichen wir den Text hier noch einmal in voller Länge (rote Hervorhebungen durch PI).

Die Reisefreizügigkeit in Europa sollte eingeschränkt werden

Von David Cameron, Premierminister Grossbritanniens

Ab 1. Januar 2014 werden die Bürgerinnen und Bürger aus Rumänien und Bulgarien das gleiche Recht haben, in Grossbritannien zu arbeiten, wie alle anderen EU-Bürger.

Ich weiss, dass viele hier im Lande über die möglichen Auswirkungen besorgt sind. Ich teile ihre Sorgen.

Seit dem Fall der Berliner Mauer gehörte Grossbritannien zu den Vorkämpfern, welche einen Beitritt der ausgebluteten Länder hinter dem Eisernen Vorhang in die Nato und in die EU befürworteten. Das ist sowohl für deren aber auch für unseren Wohlstand und die Sicherheit wichtig.

Grossbritannien war auch immer einer der stärksten Verfechter eines EU-Binnenmarktes. Es ist auch in unserem Interesse, dass der Markt wächst und auch unsere Leute die Möglichkeit haben, in anderen europäischen Ländern zu arbeiten.

Aus dem Ruder gelaufen

Aber die Sache ist aus dem Ruder gelaufen. Seit 2004 wurden wir Zeuge der grössten Völkerwanderung in Europa ausserhalb der Kriegszeiten. Im Falle von Grossbritannien haben sich hier eine Million Menschen aus Zentral- und Osteuropa niedergelassen.

Was sind die Lehren daraus? Lektion 1 ist die Übergangsregelung. Im Jahre 2004 entschied die damalige Labour-Regierung, dass Grossbritannien vollständig auf Übergangsregulierungen gegenüber den neuen EU-Staaten verzichten soll. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, eine siebenjährige Übergangsfrist für den Zuzug von Arbeitskräften aus diesen Staaten einzuführen, aber Labour verzichtete, fast alleine in Europa, darauf. Das war ein monumentaler Fehler.

Die zweite Lektion betrifft die Einkommensunterschiede. Es erstaunt nicht, dass Leute aus Ländern mit einem Pro-Kopf-Einkommen, das etwa der Hälfte des EU-Durchschnitts entspricht, zu uns kamen. Doch Labour zog keine Lehren daraus, als sich Rumänien und Bulgarien der EU anschlossen.

Sie verpassten damals die Gelegenheit, die wichtige Frage anzugehen, wann die Bürger aus neuen EU-Beitrittsländern vollen Zugang zum EU-Arbeitsmarkt erhalten sollen. Die Labour-Regierung drückte sich vor diesen heiklen Fragen. Immerhin hat die heutige Regierung wenigstens die Karenzfrist von fünf auf die maximal möglichen sieben Jahre ausgedehnt.

Die nächste grosse Lehre aus der gescheiterten Einwanderungspolitik ist mit dem Sozial- und Bildungswesen verknüpft. Wenn es sich nicht mehr lohnt zu arbeiten, oder wenn es den Einheimischen an Ausbildung fehlt, dann öffnen sich auf unserem Arbeitsmarkt grosse Freiräume für Arbeitskräfte aus dem Ausland. Man kann diesen Zuwanderern keinen Vorwurf machen, wenn sie hierherkommen und hart arbeiten wollen.

Aber die klügere Lösung wäre es gewesen, unsere eigenen Leute auszubilden, um diese freien Stellen zu besetzen. Da setzt unsere gegenwärtige Regierung den Schwerpunkt: Wir schaffen eine Rekordzahl von Lehrstellen, wir fordern mehr Strenge und Disziplin an den Schulden und wir wollen ein Sozialsystem, unter dem es sich wieder lohnt zu arbeiten.

Gesetzliche Einwanderungsbremsen

Aber selbstverständlich sind die Leute auch über die Massnahmen, die wir in Angriff nehmen, besorgt. Wir ändern die Gesetze derart, dass niemand mehr in unser Land kommen und sofort von unserer Arbeitslosenversicherung profitieren kann. Wir werden ihnen in den ersten drei Monaten nichts mehr bezahlen. Wenn dann jemand mit einem EU-Bürgerrecht nach drei Monaten dennoch Unterstützung benötigt, dann werden wir diese nicht mehr unbegrenzt lange bezahlen. Sie werden höchstens noch für sechs Monate Unterstützung beantragen können, es sei denn, sie könnten glaubhaft nachweisen, dass eine neue Stelle in Aussicht steht.

Wir werden auch die Gesuche, die Einwanderer zum Erhalt von Unterstützung einreichen müssen, verschärft prüfen. Dazu gehört begrenzter Zugang zum Mindestlohn. Wer den Test nicht besteht, wird keine Zuschüsse mehr erhalten, insbesondere keine Einkommensaufbesserungen. Neu ankommende EU-Stellensuchende werden keine Wohnzulagen mehr erhalten.

Leute, die nicht arbeiten, die also betteln oder obdachlos sind, werden ausgeschafft. Sie werden dann eine Einreisesperre für zwölf Monate erhalten, ausser sie hätten eine Arbeitsstelle. Wir werden auch jene hart anpacken, die Leute zu Löhnen unter dem Mindestlohn anstellen. Sie werden mit Strafen von bis zu 20‘000 Pfund für jede unterbezahlte Beschäftigte oder jeden unterbezahlten Beschäftigten belegt, was einer Vervierfachung der heutigen Bussen gleichkommt.

Grossbritannien ist nicht das einzige Land, das solche Schritte plant. Andere Länder, wie etwa die Niederlande, fordern schon dreimonatige Anwesenheit, bevor man Arbeitslosenunterstützung beantragen kann. All dies können wir im Rahmen der Verträge tun, die noch Labour unterzeichnet hat. Aber lassen Sie mich zum Schluss darlegen, wie meine Partei diese Probleme in Zukunft angehen will.

Personenfreizügigkeit nicht sakrosankt

Die heutige EU unterscheidet sich wesentlich von der EU, wie sie sich vor dreissig Jahren präsentiert hat. Wir müssen die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass der freie Personenverkehr der Auslöser für grosse Völkerwanderungen geworden ist, weil die Einkommensunterschiede innerhalb der EU dazu verleiten. Damit werden Talente aus jenen Ländern angelockt, die auf ihre besten Leute angewiesen wären. Dies verursacht zusätzlichen Druck auf diese Staaten.

Es wäre an der Zeit für ein neues Abkommen, das zwar die Personenfreizügigkeit als Herzstück beibehält, aber diese kann nicht uneingeschränkt sein. Wir sind nicht das einzige Land, das die Personenfreizügigkeit als ein eingeschränktes Recht betrachtet: Die Innenminister von Österreich, Deutschland und der Niederlande haben dies ebenfalls der EU-Kommission mitgeteilt.Grossbritannien wird als Teil des Plans zur Reform der EU mit anderen Ländern zusammenarbeiten, auf dass der freie Personenverkehr auf eine vernünftige Basis gestellt werde.

Sozialwerke gefährdet

Und wir werden das Gleiche mit dem Sozialnetz tun müssen. Die Personenfreizügigkeit soll nicht zu einem Export von Kinderzulagen führen. Ich will dieses Problem mit unseren europäischen Partnern angehen. Weitere Länder in die Gemeinschaft aufzunehmen, um ihnen Frieden und Wohlstand zu ermöglichen, ist eine der grossen Stärken der EU. Es wird vielleicht viele Jahre, möglicherweise ein Jahrzehnt dauern, bis sich weitere Länder der EU anschliessen. Dann können wir dies aber nicht mehr auf gleiche Art und Weise tun, wie in der Vergangenheit. Wir müssen neue Regeln schaffen, mit der der gegenseitige Zugang zum Arbeitsmarkt verzögert wird bis wir sicher sind, dass keine Masseneinwanderung ausgelöst wird.

Es gibt verschiedene Wege, wie wir dies erreichen können. Einerseits müssten wir voraussetzen, dass ein Land ein gewisses Einkommen pro Kopf erzielt, bevor die Personenfreizügigkeit gewährt wird. Die einzelnen Mitgliedsländer sollen wieder Obergrenzen einführen können, wenn die Einwanderung innerhalb eines Jahres ein gewisses Ausmass überschreitet.

Vertrauen zurückgewinnen

Die EU muss sich verändern, wenn sie das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen will. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit anderen Ländern, die auch Reformen wollen. Ich freue mich auch auf das Referendum, mit dem ich unsere Zukunft in Europa zur Disposition stelle. Wenn ich nach den nächsten Wahlen Ministerpräsident bleibe, wird das britische Volk darüber abstimmen können.

Quelle: Auch Briten gegen Personenfreizügigkeit

Siehe auch:
Norwegens Rechtspopulisten wollen Referendum nach Schweizer Muster
AfD fordert Referendum zur Zuwanderungsinitiative nach Schweizer Vorbild
Eugen Sorg: Die Unreife der Intellektuellen
Akif Pirincci: An alle meine schwulen und lesbischen Freunde
Matthias Matussek: Ich bin homophob. Und das ist gut so
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Michael Klonovsky: Der Bürgerkrieg gegen die Familien
Martin Lichtmesz: Sexpolitik gegen Rußland und den Vatikan
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Deutschland: 19,5 % der Bevölkerung sind Migranten

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